Stationäre familienzentrierte Musiktherapie bei Frühgeborenen unterstützt die Eltern während der Klinikaufenthalte ihrer Kinder

Eine zu frühe Geburt stellt hohe Anforderungen an das Neugeborene und seine Familie. Die meisten Frühgeborenen werden unmittelbar nach der Geburt auf einer Neugeborenen-Intensivstation behandelt, was zu psychosozialen Belastungen bei den Eltern führen und den Aufbau einer stabilen Eltern-Kind-Bindung erschweren kann. Eine stationäre familienzentrierte musiktherapeutische Betreuung unterstützt die Eltern in dieser ersten Zeit nach der Geburt.

Frühgeborene sind Kinder, die vor Vollendung der 37. Schwangerschaftswoche geboren werden. Die Versorgung von Frühgeborenen hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verbessert, nicht nur durch den medizinischen Fortschritt, sondern auch durch eine erweiterte psychosoziale Betreuung. Im Perinatalzentrum der Universitätsmedizin Essen ist die familienzentrierte Betreuung seit 2007 durch die Elternberatung „Frühstart“ und seit 2016 durch die kreative Musiktherapie etabliert.

Die Musiktherapie dient als Interaktions- und Kommunikationsmittel, um in nonverbaler Form die individuelle Entwicklung des Kindes zu fördern (Kobus, 2018). Darüber hinaus kann sie die Eltern bei der Betreuung ihres Kindes stärken (Haslbeck, 2013). Denn nicht nur das Frühgeborene selbst, sondern vor allem auch seine Eltern, sind starkem emotionalen Stress ausgesetzt. Der Aufbau einer Eltern-Kind-Bindung wird dadurch gekennzeichnet, dass das Kind direkt nach der Geburt medizinisch versorgt werden muss und häufig an medizinische Geräte angeschlossen wird. Dies kann eine Barriere zwischen Eltern und Kind entstehen lassen. Neben den äußeren Rahmenbedingungen auf der Neugeborenen-Intensivstation erschweren häufig elterliche Ängste den Aufbau der Eltern-Kind-Bindung (Dudek-Shriber, 2004; Howe et al., 2014). Dennoch spielen die Eltern eine zentrale Rolle bei der Förderung der Entwicklung ihrer Frühgeborenen. Ihre Einbeziehung in die Pflege bereits während der stationären Betreuung gilt heute als notwendiger Bestandteil der Behandlung von frühgeborenen Kindern (Baley, 2015).

Die hier vorgestellten Ergebnisse stammen aus einer Elternbefragung im Rahmen einer prospektiven, randomisierten klinischen Studie zum Zeitpunkt der Entlassung ihrer frühgeborenen Kinder. Diese wurden zwischen Oktober 2018 und Mai 2021 an der Universitätsmedizin Essen geboren. Ab der zweiten Lebenswoche bis zur Entlassung wurde zweimal pro Woche eine Musiktherapiesitzung durchgeführt. Die Responsequote der Befragung lag bei 80%.  

Die Antworten der Fragebögen zeigten, dass alle Eltern die Musik positiv wahrnahmen. 94% der Eltern gaben an, dass sie während der Musiktherapie Reaktionen ihres Kindes auf die Musik beobachten konnten. Dazu gehörten Lächeln, Grimassieren, Blinzeln, leises Lautieren und tiefes Durchatmen. Für 91 % der Eltern wirkten ihre Kinder während der Musiktherapie entspannt und für 88 % der Eltern auch nach Abschluss der Sitzung. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die familienzentrierte Musiktherapie für die Eltern von Frühgeborenen als Bereicherung während der Krankenhausaufenthalte ihrer Kinder wahrgenommen wird. Eine entspannende Wirkung während der musiktherapeutischen Intervention spielte die wichtigste Rolle für die Eltern (Kobus et al., 2021).

Die evidenzbasierte musiktherapeutische Betreuung ist ein wichtiger Bestandteil der medizinischen Versorgung an der Universitätsmedizin Essen und hilft Familien von Frühgeborenen in der oft schwierigen Anfangszeit mit ihrem neugeborenen Kind.

Literatur:

Baley, J. (2015). Skin-to-Skin Care for Term and Preterm Infants in the Neonatal ICU. Pediatr. Sept. 2015, 136, 596–599.

Dudek-Shriber, L. (2004). Parent stress in the neonatal intensive care unit and the influence of parent and infant characteristics. Am. J. Occup. Ther. 2004, 58, 509–520.

Haslbeck, F. (2013). Fortbildung Musik als Therapie auf der Frühgeborenenstation.“ Einführung und Orientierung”; Einführung und Orientierung: München, Germany, 2013.

Howe, T.-H.; Sheu, C.-F.; Wang, T.-N.; Hsu, & Y.-W. (2014). Parenting stress in families with very low birth weight preterm infants in early infancy. Res. Dev. Disabil. 2014, 35, 1748–1756.

Kobus, S. (2018). Musikalische Begleitung für Frühgeborene und ihre Familien. Reihe Zeitpunkt Musik; Dr. Ludwig Reichert Verlag: Wiesbaden, Germany, 2018.

Kobus, S., Diezel, M, Huening, B., Dewan, M. V., Felderhoff-Mueser, U., & Bruns, N. (2021). Parents’ Perception of Family-Centered Music Therapy with Stable Preterm Infants. Int. J. Environ. Res. Public Health 2021, 18, 12813. https://doi.org/10.3390/ijerph182312813


Link zum Paper: https://doi.org/10.3390/ijerph182312813

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