Die Flutkatastrophe vom Juli 2021 im Ahrtal hat anhaltende Schäden hinterlassen:
Schätzungen zufolge waren es anfänglich etwa 15.000 Erstbetroffene, 4.000 akut
traumatisierte und 2.000 sekundär traumatisierte Helfer:innen. Nach einem Jahr litten noch
28% der Betroffenen unter PTBS-Symptomen (PTBS: Posttraumatische Belastungsstörung),
nach 1,5 Jahren sind es noch 24% im Kreis Ahrweiler und 23% im Kreis Euskirchen. Diese
Zahlen stammen aus dem KAHR-Projekt, Universität Potsdam, Forschungsgruppe Prof. A.
Tiecken (Zenker et al., 2024; Zimmerman, 2023), welches die Situation 2023 zuletzt erfasst
hat mit dem Screening nach Siegrist & Maerker, 2010); diese Zahlen sind höher als nach
vergleichbaren Katastrophen weltweit (Zhong et al., 2018). Der Wiederaufbau im Ahrtal geht
schleppend voran, wo er geleistet ist, wird beobachtet, dass die Menschen oft in ein seelisches
Tief fallen. Hilfsangebote sind beschränkt verfügbar, das Traumahilfezentrum bietet
ausschließlich probatorische Sitzungen an, es gibt lange Wartelisten bei den niedergelassenen
Therapeut:innen. Viele Menschen melden sich trotz Symptomen nicht für eine
Psychotherapie an.
Das von Help – Hilfe zur Selbsthilfe e.V. geförderte Kooperatiosprojekt der Stiftung Universitätsmedizin Essen mit der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft in Alfter “kreARTiv – Vom Schatten ins Licht” bot Betroffenen der Flutkatastrophe vom
Juli 2021 im Rahmen der psychologischen Hilfe zur Traumabewältigung ein breiteres
Konzept der Künstlerischen Therapien an: Kunsttherapie, Musiktherapie, Tanz- und
Bewegungstherapie sowie Theatertherapie im Kooperationsprojekt “Starke Kids”. Das
Angebot für Kinder, Jugendliche und Erwachsene sollte den psychologischen Bedarf in allen
Altersgruppen auffangen. Künstlerische Therapien sind evidenzbasierte Behandlungsformen
(De Witte et al., 2025; Fancourt & Finn, 2019; Koch, 2019; 2014), sie sind niedrigschwelliger
als verbale Psychotherapie und lassen eine höhere Akzeptanz in der Bevölkerung erwarten.
Mit Kunst, Musik oder Bewegung zu arbeiten, biete auch jenen Menschen einen Zugang zur
Traumabewältigung, für die sprachliche Zugänge aus unterschiedlichen Gründen schwierig
sind: Kinder, Menschen mit Behinderung, Migrant:innen, Menschen aus niedrigen
sozioökonomisch Schichten, ältere Menschen mit kognitiven Einschränkungen, aber auch
sprachlich eloquente Menschen, die über Sprache nicht ihre Gefühle erreichen können (de
Witte et al., 2021). Im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren sind künstlerische Zugänge
oftmals kostengünstiger (Frontiers Economics Report, 2024). In England, wo diese Daten
vorliegen, wird der jährliche Nutzen der Künste im Gesundheitswesen (Kapitalrendite) auf
über 900 £ pro Person und 8 Milliarden £ für die gesamte Gesellschaft geschätzt.
Ziel des Projekts “kreARTiv – vom Schatten ins Licht” war es durch künstlerischtherapeutische
Angebote in den Flutgebieten ein niedrigschwelliges Angebot zu schaffen, das
diese Lücke füllt, und die psychologischen Folgen des Hochwassers adressiert. Innerhalb
eines Jahres wurden mehr als 30 Therapiegruppen der Kunst-, Musik-, und Tanztherapie
angeboten, die 200+ Teilnehmer:innen erreichten.
Projektleitung:
PD Dr. Susann Kobus (Univeristätsmedizin Essen) und Prof. Dr. Sabine Koch (Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft Alfter/ Bonn)